Aus der Praxis - wenn dicke Hunde kommen

Insbesondere aus Seniorenhaltung bekommen wir häufig Hunde mit starkem Übergewicht abgegeben.

 

Das Übergewicht hat im Wesentlichen zwei Ursachen: zu viel und falsches Futter und zu wenig Bewegung, meistens kombiniert miteinander.

 

Nun wäre es natürlich einfach, den bösen alten Halter zu verdammen und den Hund auf stramme Diät zu setzen. Dies ist nicht unser Weg. Weder verurteilen wir Halter, die es schlicht nicht besser wussten oder ihre Tierliebe in dieser ungeeigneten Form ausgedrückt haben, noch muten wir einem alten Hund radikale Diäten zu, die eventuell sogar zum Zusammenbruch der Leber führen könnten.

 

Leider bekommen wir auch manchmal gar keine Infos zur bisherigen Ernährung oder Futter mitgeliefert, das der Hund bisher angeblich gefressen hat, was aber offensichtlich vollkommene Überraschung bei ihm hervorruft, verbunden mit allzu zügiger Verdauung, so dass wir auch oft genug wirklich bei Null anfangen.

 

SchnuppeGerade die Hunde, die vom Tisch gefüttert wurden oder Futtersorten mit starken Geschmacksverstärkern bekamen, haben jetzt ohnehin ein echtes Problem. Über das Futter wurde dem Hund bisher Regelmäßigkeit, Freude und auch Liebe zuteil. Es waren die Momente inniger Zweisamkeit mit ihrem Menschen, Hochgenuss beim Fressen und wohligem Sättigungsgefühl hinterher. Der Hund weiß nicht, wie viel besser es ihm mit 5, 10 oder 20 kg weniger auf den Rippen ginge.

 

Wir wählen den langsamen und behutsamen Weg und behalten im Auge:

 

Der Hund hat gerade seinen Menschen verloren.

Alles um ihn herum ist neu.

Vielleicht lebt der Hund zum ersten Mal mit anderen Tieren in der Gruppe.

Plötzlich ist regelmäßige Bewegung angesagt und er wird neben der seelischen Belastung körperlich gefordert.

Fressen tröstet und ermöglicht auch eine neue Bindung.

 

Grundsätzlich wird beim Omihunde-Netzwerk ein geriatrisches Blutbild gemacht, um zu sehen, wie die Entgiftungsorgane arbeiten, ob der Hund evtl. unter Diabetes leidet und was die Schilddrüsenwerte sagen. Ggf. muss hier eine Behandlung stattfinden und entsprechend gefüttert werden.

 

Unser Ziel hier auf dem Hof ist immer, dass der Neuankömmling sich schnellstmöglich aklimatisieren und glücklich sein kann. Die Anforderungen der Hundegruppe sind einerseits anstrengend, andererseits auch eine wunderbare Ablenkung für den Hund. Die Senkung des Gewichts kommt erst danach als Priorität. Oft hilft aber schon in den Prozess einzusteigen, dass die meisten Hunde den ersten und zweiten Tag kaum fressen und sich erstmal zurechtfinden müssen.

 

Liegen keine gesundheitlichen Einschränkungen mit organischer Ursache vor, beginnen wir mit der Diät. Wir stellen vorsichtig auf ein gesünderes Futter um und füttern zunächst eine Menge, die dem Körpergewicht in der Hälfte zwischen gewünscht und aktuell liegt. Beispielsweise bei einem Retriever, der mit 49 kg hier ankommt und möglichst 37-38 kg wiegen sollte, orientieren wir uns zunächst am Bedarf eines 45 kg Hundes. Wenn dieses Gewicht erreicht ist, orientieren wir uns an 40 kg und gehen dann langsam runter. HarryHarry

 

Und - wir verkrampfen uns nicht mit Wunschgewichten, sondern schauen auch mal selbst in den Spiegel und hinterfragen, ob jeder alte Hund tatsächlich gertenschlank sein muss, um glücklich zu sein. Auch bei Hunden gibt es bessere und schlechtere Futterverwerter und die mit den schweren Knochen :-).

 

Sehr gewährt hat sich hier die Fütterung von Frischfleisch (aus Dosen) und Barf Plus Crunchy Garden (Zusammensetzung: Kartoffel, Banane, Karotte, Rübenfruchtfleisch, Apfel, Erbsen, Alfafa, Lachsöl, Seealgen, Thymian, Oregano, Yuccaextrakt, Sonnenblumenöl, Majoran, Petersilie, Salbei). Über die handlichen knusprigen Ringelchen kann ich dem Hund ohne großes Risiko auch einen vollen Magen verschaffen. Ansonsten sind auch Möhren und Kartoffeln immer gerne genommen. Manche Hunde vertragen Trockenfutter besser, z.B. Timo ist steinalt geworden mit einem tierärztlich verordneten Trockenfutter, das er bis zu seinem letzten Lebenstag voller Appetit gefressen hat.

 

Ich stelle hier klar: ich bin kein Futterexperte, barfe nach wie vor nicht, gucke nicht auf grammweises Einhalten von Mengen und Empfehlungen. Viele der alten Hunde, die bei uns ankommen, wurden ihr Leben lang mit billigstem Industriefutter ernährt und sind trotzdem selbst mit Übergewicht erstaunlich fit. Auch wenn einige das gar nicht gerne hören, das sind meine Erfahrungen der letzten Jahre. Auch wird so lange wie möglich eine Mahlzeit pro Tag angeboten. Die Fütterung erfolgt im Laufe des Vormittags, danach herrscht mindestens eine Stunde Ruhe zur ruhigen Verdauung.

 

Und: Es gibt hier auch mal was Ungesundes zwischendurch, und wenn wir wissen, dass ein Hund nicht mehr lange zu leben hat, aufgrund welcher Krankheit auch immer, gilt klar die Devise: Hauptsache, es schmeckt. Ich gebe gerne zu und stehe voll hinter dieser Maßnahme: dann soll der Hund einfach nur noch fressen, was ihm schmeckt, auch wenn er top ernährt vielleicht ein paar Tage oder Wochen länger gehabt hätte.

 

Achtung: Dies sind meine ureigenen Erfahrungen der letzten Jahre. Ich möchte hier für Verständnis für dicke alte Hunde werben, die sich nach der Abgabe in einem völlig neuen Umfeld zurechtfinden müssen.

 

ManniManni